Thomas Schulz
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Die Jahrhunderthalle in Breslau – Außenansicht
Innenansicht der Breslauer Jahrhunderthalle, im Hintergrund die Sauer-Orgel

Nachdem im Dezember 2001 die beiden Friedenskirchen von Schweidnitz/Świdnica und Jauer/Jawor in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen wurden, schlägt der polnische Kulturminister vor, mit der Jahrhunderthalle (Hala Ludowa) in Breslau/Wrocław nunmehr ein weiteres Denkmal des „Gemeinsamen deutsch-polnischen Kulturerbes“ auf diese Liste zu setzen.

„Die Volkshalle/ Jahrhunderthalle könnte neben dem Eiffelturm das Symbol für die Geburt des Neuen Europa werden“, meinte der polnische Kulturminister Waldemar Dąbrowski. Am 28.01.2003 unterschrieb er einen Antrag für die Aufnahme der Halle in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO.

Wie die „Gazeta Wyborcza“ in ihrer Breslauer Ausgabe vom 29.01.2003 berichtet, sollen im April UNESCO-Experten nach Breslau kommen, um das Gebäude zu begutachten.

Die städtische Denkmalpflegerin Katarzyna Hawrylak-Brzezowska freut sich, dass der Minister den Antrag unterschrieben hat: „Es ist ein Impuls, der dazu führen könnte, dass das Gebäude wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt und seine Umgebung in Ordnung gebracht wird. Denn die Tatsache, dass das Gebäude auf der UNESCO-Liste steht, bringt die Verpflichtung mit sich, es im hervorragenden Zustand zu halten.“

Nicht nur hinsichtlich ihrer Ausmaße ist die Jahrhunderthalle, heute Hala Ludowa/Volkshalle, der bedeutendste Bau des frühen 20. Jahrhunderts im heutigen Wrocław. Anlässlich des 100. Jahrestags der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 beschloss der Magistrat der Stadt Breslau, eine repräsentative Gedenkhalle bauen zu lassen. Der Architekt und Breslauer Stadtbaurat Max Berg wurde mit diesem Projekt beauftragt. Berg entwarf einen monumentalen Zentralbau aus Spannbeton. Mit einer Kuppelspannweite von 65 Metern und einer Höhe von 41 Metern war die Breslauer Jahrhunderthalle zum Zeitpunkt ihrer Erbauung der größte Kuppelbau der Welt.

Max Berg, seit 1909 Chefarchitekt der Stadt, sah die Chance, mit dem Projekt des Ausstellungsgeländes seine Vision des neuen Bauens zu verwirklichen. Im Jahr 1911 stellte Berg seine Pläne im Stadtrat zur Abstimmung. Die Diskussion verlief kontrovers; manche Stadtverordnete fürchteten ob der gigantischen Ausmaße, das ganze Gebäude könne womöglich in sich zusammen fallen. Der Baurat Gruhl fand, dass die Halle von unten wie ein Gasturm und von oben wie eine Hutschachtel aussähe – und mit dieser Meinung war er nicht allein... Doch die Mehrheit der Stadträte bewies Weitblick und Wagemut. Ende August 1911 wurde der erste Spatenstich getan. Ende Dezember 1912 war der Rohbau fertig. Es heißt, Max Berg habe die ersten Verschalungen für den Spannbeton persönlich entfernen müssen, weil die Arbeiter Angst gehabt hätten, dass die gewagte Konstruktion einstürzt.

32 geschwungene Binder halten die 42 Meter hohe Kuppel mit einem Durchmesser von 67 Metern. Durch die terrassenförmig angeordneten Fensterreihen fällt das Licht in die Halle, deren gesamter Durchmesser 130 Meter beträgt. Die Sitzflächen sind ebenfalls stufenförmig angeordnet und erlauben rund 5.000 Besuchern einen guten Blick auf die Bühne oder in die Arena.

Die Akustik ist hervorragend, deshalb sollte die Jahrhunderthalle unter anderem als repräsentativer Konzertsaal dienen. Max Berg schlug vor, das Bauwerk mit einer Orgel auszustatten, die den gigantischen Dimensionen der Halle gerecht wird. Als Orgelsachverständiger konnte der renommierteste Organist seiner Zeit, Karl Straube, gewonnen werden. Er entwarf ein Instrument, das über 200 Register verfügen sollte. Im November 1912 wurde der Auftrag für den Bau der Jahrhunderthallenorgel an die Firma Wilhelm Sauer in Frankfurt an der Oder vergeben. Sie baute in der Rekordzeit von nur 10 Monaten ein Instrument mit 15.133 Pfeifen und 200 Registern.

Das Instrument bestand bis nach dem Zweiten Weltkrieg. 1946 wurde es abgebrochen und das Material auf drei „neue“ Orgeln aufgeteilt. Der größte Teil - rund 85 Register - wurde in den Breslauer Dom verbracht.

Rund drei Jahrzehnte nach ihrer Eröffnung verglich Max Berg die Jahrhunderthalle in ihrer Bedeutung mit dem gotischen Rathaus von Breslau. Bis heute zieht das Bauwerk Architekturinteressierte in seinen Bann - als technisches Meisterwerk und eines der ersten und bedeutendsten Beispiele der modernen Stahlbetonbauten des 20. Jahrhunderts.