Aktuelle Bedingungen für Bürgerengagement und Initiativen
Klaus Harer
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Der Königsberger Dom
Fallbeispiel: Restaurierung der Ordenskirche von Prawdinsk/Friedland
Ordenskirche von Prawdinsk/Friedland: Gewölbe vor dem Krieg, vor und nach der Restaurierung
Ordenskirche von Prawdinsk/Friedland: Südeingang vor und nach der Restaurierung

Bei einem Workshop des Kulturforums und des Studiengangs »European Cultural Heritage« der Europa-Universität Viadrina in Słubice wurden die Bedingungen und Voraussetzungen für denkmalpflegerische Initiativen aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet und einzelne konkrete Fallbeispiele vorgestellt.

Der vom Deutschen Kulturforum östliches Europa und vom Studiengang European Cultural Heritage (Lehrstuhl für Denkmalpflege der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder) organisierte Workshop fand am 22. und 23. Juni 2005 in den Räumen des Collegium Polonicum in Słubice, dem polnischen Nachbarort von Frankfurt (Oder), statt. Etwa fünfzig Teilnehmer diskutierten über insgesamt zwölf Vorträge, in denen die Bedingungen und Voraussetzungen für denkmalpflegerische Initiativen aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet und auch einzelne Fallbeispiele von konkreten Maßnahmen vorgestellt wurden.

Die erste Sektion war den »Grundlagen« gewidmet. Der Berliner Historiker Bert Hoppe referierte über die ideologischen Implikationen der Aneignung des zerstörten Königsberg durch die neuen russischen Bewohner, über die unterschiedlichen Konzeptionen für den Wiederaufbau der Stadt und über die aus verschiedenen Gründen widersprüchliche und fragmentarische Umsetzung dieser Konzeptionen. Der in Allenstein/Olsztyn (Polen) tätige Kunsthistoriker Christofer Herrmann gab einen Überblick über den Erhaltungszustand der Kirchen im Kaliningrader Gebiet. Dabei stellte er fest, dass ein Großteil der Verluste nicht auf unmittelbare Kriegszerstörung, sondern auf den fortgesetzten Verfall in der Nachkriegszeit zurückzuführen ist. Ronny Kabus, langjähriger Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg, berichtete über die vielfältigen Aktivitäten dieses Museums, das seit 1990 auch intensiv mit Einrichtungen in Russland, Litauen und Polen kooperiert.

Die anschließende Diskussion griff besonders ausführlich das Problem des anhaltenden Verfalls von Kirchengebäuden im Kaliningrader Gebiet auf. Mehrere Teilnehmer machten darauf aufmerksam, dass auch in westeuropäischen Ländern in der Nachkriegszeit viele ungenutzte historische Bauwerke abgebrochen wurden. Die große Zahl von zerstörten und verfallenen Kirchen im Kaliningrader Gebiet sei aber vor allem auch durch fehlende Nutzung begründet. Der Erhalt bzw. die Restaurierung von Kirchen hänge daher in erster Linie davon ab, ob für ein Bauwerk eine nachhaltige Nutzung gefunden würde.

Die zweite Sektion war drei Fallbeispielen gewidmet. Uwe Rödiger berichtete von der Wiederherstellung des Daches des Königsberger Doms, die er in den 1990er Jahren als Projektleiter des Deutschen Zentrums für Handwerk und Denkmalpflege leitete. Mit zahlreichem Bildmaterial machte er die vielfältigen technischen und logistischen Probleme deutlich, die bei den aufwändigen Restaurierungsmaßnahmen bewältigt wurden. Eva Riks führte anhand ihrer Erfahrungen bei der Restaurierung der Ordenskirche von Prawdinsk/Friedland ein Beispiel von gelungener deutsch-russischer Kooperation in der Denkmalpflege vor. Gerhard Brandtner berichtete von der Restaurierung der Salzburger Kirche in Gusew/Gumbinnen, die er als damaliger Vorsitzender der Stiftung Salzburger Anstalt Gumbinnen (Bonn) in langjähriger Arbeit verwirklichen konnte. Beeindruckend war die von ihm vorgetragene »Checkliste«, die er für künftige ähnliche Aktivitäten zusammengestellt hatte und in der die vielfältigen Erfahrungen, die seine Stiftung in diesem Projekt machte, Eingang gefunden hatten. Förderlich für dieses Projekt war die Tatsache, dass die Kirche, die seinerzeit von evangelischen Glaubensflüchtlingen aus dem Salzburger Land erbaut worden war, nun wieder von einer örtlichen evangelischen Gemeinde, die sich größtenteils aus Russlanddeutschen zusammensetzt, genutzt wird.

In der dritten Sektion, »Voraussetzungen«, gab Bernhart Jähnig vom Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz einen kurzen Überblick über die in verschiedenen Archiven (in Berlin, Kaliningrad, Koblenz, Olsztyn, Warschau u.a.) aufbewahrten Archivbestände über Königsberg und das nördliche Ostpreußen. Philipp Ther, Juniorprofessor an der Europa-Universität Viadrina, sprach über die wissenschaftliche Kooperation von deutschen und Kaliningrader Historikern, die er für ausbaufähig hält. Silke Klöver, als leitende Mitarbeiterin in der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit mit der Durchführung zahlreicher Projekte im östlichen Europa betraut, skizzierte in ihrem Vortrag die Rahmenbedingungen für den Denkmalschutz im Kaliningrader Gebiet. Dabei stellte sie heraus, dass Maßnahmen im Bereich der Denkmalpflege aufgrund mangelnder zwischenstaatlicher Abkommen nicht auf stabile Rahmenbedingungen setzen können. Daher sei in jedem Fall eine gute Planung mit schriftlichen Absprachen auf allen Ebenen notwendig.

Die letzte Sektion, »Perspektiven« überschrieben, wurde durch einen Doppelvortrag von Prof. Dr. Uta Hengelhaupt und Ramona Simone Dornbusch, Studiengang European Cultural Heritage (Lehrstuhl für Denkmalpflege), zum Thema »Möglichkeiten internationaler Zusammenarbeit zum Denkmalerhalt im Kaliningrader Gebiet« eröffnet. Uta Hengelhaupt fasste die grundlegenden internationalen Konventionen und Vereinbarungen zum Denkmalschutz und -erhalt zusammen. Wichtig für die Perspektiven in Kaliningrad sei es aber vor allem auch, »…das gemeinsame kulturelle Gedächtnis und die Wurzeln einer kulturellen Identität im Gebiet Kaliningrad/Königsberg zu stärken und dies nicht nur im Bewusstsein einzelner Intellektueller (was ja bereits in einem erheblichen Maß geschieht), sondern im Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit.« Ramona Simone Dornbusch stellte die für den Denkmalerhalt im Kaliningrader Gebiet wichtigsten Instrumente und Mitgliedschaften der Russischen Föderation vor. Durch die Mitgliedschaft Russlands u.a. im Europarat und der Weltbank seien Grundvoraussetzungen geschaffen, unter denen ein Kulturgüterschutz überhaupt erst nachhaltig gedeihen kann. Auf internationaler Ebene (UNESCO, Weltbank u.a.) ebenso wie im europäischen Rahmen (Europarat, Kooperationen im Rahmen der Euroregionen) und in bilateralen deutsch-russischen Partnerschaften finden sich tragfähige Instrumente, die verstärkt für Aktivitäten im Kulturgüterschutz nutzbar gemacht werden können.

Angus Fowler, der im europäischen Rahmen in verschiedenen nichtstaatlichen Organisationen (NGOs) für den Denkmalschutz tätig ist, nutzte in seinem abschließenden Vortrag zu den »Perspektiven bürgerlichen Engagements im Kaliningrader Gebiet« die Gelegenheit zu einem »Brainstorming« des Workshops. Nach jahrzehntelanger Vernachlässigung und Verödung der Kulturlandschaft und Natur im Kaliningrader Gebiet verbesserten sich die Bedingungen für eine nachhaltige Entwicklung im Kulturgüterschutz seit der Öffnung des Kaliningrader Gebiets sichtlich. Die schweren Defizite in diesen Bereichen seien jedoch nur zu überwinden, wenn es gelänge, die Zivilgesellschaft im Kaliningrader Gebiet weiter zu entwickeln. Bürgerliches Engagement im Kaliningrader Gebiet werde sich nur entfalten können, wenn auch bei der jüngeren Generation ein durch Aufklärung, internationale Kontakte und fachliche Ausbildung angeregtes Interesse an regionaler Geschichte und Identifikation mit der Natur- und Kulturlandschaft entsteht.

In der Schlussdiskussion wurde angeregt, in einem Resümee die Ergebnisse des Workshops zusammenzufassen und der interessierten Öffentlichkeit sowie zuständigen Einrichtungen und Institutionen zugänglich zu machen. Das Deutsche Kulturforum östliches Europa wird zudem auf der Grundlage der Adressen der Teilnehmer des Workshops ein Netzwerk einrichten, in dem alle Interessierten über den Stand und die vielfältigen Aktivitäten im Bereich des Kulturgüterschutzes im Kaliningrader Gebiet informiert werden können.