Frankfurter Allgemeine Zeitung • 17.03.2005
Nicht nur wegen der Akribie, mit der Autorin Roswitha Schieb in diesem Buch alles zusammengetragen hat, was je über diese Stadt gesagt worden ist, hält der Rezensent dieses Buch über Breslau für ausgesprochen bemerkenswert. Auch ist darin aus seiner Sicht das komplexe Bild einer Stadt entstanden, in der es zwischen Epochen erbitterter Auseinandersetzungen auch lange Phasen der fruchtbaren Berührung der Völker gab. Die Autorin vermeide dabei die oft den Blick verstellende reine Vergangenheitsbetrachtung. »Natürlich stehen hier in einer berechtigten Gewichtung die Zeugnisse der jahrhundertelangen deutschen Stadtgeschichte im Vordergrund, zugleich aber wird der polnische Anteil am Wesen Breslaus – schon in der Schedelschen Weltchronik aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist das Nebeneinander bezeugt – nicht verdeckt.« Gleiches gelte für die immer wieder aufbrechenden Identitätsprobleme der Stadt sowie die seit Ende des 19. Jahrhundert antipolnische und antijüdische Stimmung.
Bedeutungsvoller als die »manchmal mit unzulässigem Eifer« geführte Debatte, ob und wann es sich mehr um eine deutsche oder polnische Stadt handele, findet der Rezensent den eindringlich geführten Nachweis, dass Breslau seit Beginn seiner Existenz eine Kulturhauptstadt gewesen sei, in der Gedanken aus Ost und West zusammengeflossen seien. »Deswegen ist dieses Buch für alle Generationen wichtig: für die alte, die von der Autorin behutsam und mit der Lust an lehrreichen Ausschweifungen auf sieben thematisch geordneten Wegen der Erinnerung begleitet wird, und für die junge deutsche und polnische, der gezeigt wird, dass hier ein Humus ist, auf dem eine neue europäische Gemeinsamkeit wachsen könnte.«
- Geschichte für zwei Generationen
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