Podiumsdiskussion mit Emanuelis Zingeris, Alvydas Nikžentaitis und Claudia Sinnig; Moderation: Joachim Tauber " Aus Anlass des europäischen Kulturhaupstadtjahres vilnius 2009
Dr. Klaus Harer
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v.l. n.r.: Joachim Tauber, Emanuelis Zingeris, Claudia Sinnig, Alvydas Nikžentaitis
Dr. Joachim Tauber ist wiss. Mitarbeiter am Nordost-Institut Lüneburg und Vorsitzender des Deutsch-Litauischen Forums. Gemeinsam mit Ralph Tuchtenhagen veröffentlichte er das Buch vilnius. kleine geschichte der stadt (2008).
Aufmerksame Zuhörer in der ersten Reihe: Gediminas Kliukas, Attaché der Botschaft der Republik Litauen (r.), Dr. Joachim Bethkenhagen, Dienststellenleiter der Brandenburgischen Landesvertretung (2. v. r.) und Winfried Smaczny, Vorstandsvorsitzender des Ku
Etwa achtzig Zuhörer waren der Einladung in die Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund gefolgt. alle Fotos auf dieser Seite: 2009 Deutsches Kulturforum östliches Europa • C. Tutsch & A. Werner

Am 25. März 2009 in der Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund in Berlin

Etwa achtzig Zuhörer kamen in die Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund, um sich über Vilnius, die Europäische Kulturhauptstadt 2009, und den europäischen Dialog der Deutschen und der Litauer zu informieren. Der Historiker Joachim Tauber, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Nordost-Institut in Lüneburg und Vorsitzender des 2005 gegründeten Deutsch-Litauischen Forums, führte das Publikum mit einem kurzen, sehr gehaltvollen Überblick zur facettenreiche Geschichte der Stadt Vilnius in das Thema ein.

In dem von Tauber geleiteten Podiumsgespräch betonte der Historiker Alvydas Nikžentaitis (Universität Vilnius) die Multikulturalität der Stadt Vilnius und des Landes Litauen in der Geschichte. Vilnius besitzt nicht nur für die Litauer, sondern auch für die Polen und die Juden einen besonderen Status. Nach den im 20. Jahrhundert unter deutscher und sowjetischer Besatzung geschehenen Verbrechen wird Vilnius heute von einer neu zusammengesetzten Bevölkerung bewohnt, die sich zunehmend mit diesem multikulturellen Erbe auseinandersetzt. Claudia Sinnig, Übersetzerin litauischer Dichter ins Deutsche und Literaturwissenschaftlerin, stellte das literarische Vilnius als Ort der Begegnung der litauischen, deutschen, polnischen, weißrussischen und russischen Kultur vor. Sie machte außerdem auf die philologischen und kulturellen Impulse aufmerksam, die im Zuge der litauischen nationalen Wiedergeburt von dem benachbarten Ostpreußen und der Universität Königsberg ausgingen.

Beeindruckt zeigte sich das Publikum vor allem von den nachdenklichen Diskussionsbeiträgen des litauischen Europapolitikers und Seimas-Abgeordneten Emanuelis Zingeris. Zingeris, Mitunterzeichner der litauischen Unabhängigkeitserklärung vom 11. März 1990, sieht sich als Vertreter jener jüdischen Bevölkerung Litauens, die durch den Holocaust fast völlig ausgelöscht wurde. Er war an der Gründung des Staatlichen Jüdischen Museums in Vilnius beteiligt, das er auch zeitweise leitete, und ist Vorsitzender der Internationalen Kommission für die Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes und der sowjetischen Okkupation. Diese Kommission, der als einziger deutscher Vertreter Joachim Tauber angehört, hat die schwierige Aufgabe übernommen, in der politisch und sozial labilen Situation Aufklärungsarbeit über die historischen Verstrickungen der Bevölkerung Litauens in den Tragödien des 20. Jahrhunderts zu leisten. Zingeris richtete einen vehementen Appell an die westlichen EU-Partner und vor allem an die Deutschen, die Länder Ostmitteleuropas in ihrem Prozess der europäische Integration zu unterstützen. Unter den Bedingungen der aktuellen Wirtschaftskrise zeigte er sich besorgt, dass der bei weitem nicht gefestigte demokratische Konsens auch in seinem Land Litauen zerbrechen könnte.

An einem Informationsstand der Stadt Vilnius konnte das Publikum Broschüren über die Stadt und Informationen zum Jahresprogramm der Kulturhauptstadt Europas 2009 erhalten.