Gut 100 Jahre nach den Pariser Vorortverträgen wirft der Vortrag einen Blick auf die damals in Südosteuropa geschaffene »neue Ordnung«: die Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen, die zahlreichen Kriegsfolgen, die es zu bewältigen, und die Vorgaben der Pariser Vorortverträge, die es einzulösen hatte. Dieser neue Staat entstand aus dem Zusammenschluss ehemaliger Gebiete Österreich-Ungarns mit Serbien und Montenegro. Das Königreich Serbien hatte aufseiten der Siegermächte gestanden, und strebte danach, seine Kriegsziele möglichst weitgehend durchzusetzen.
Gleichzeitig suchte sich der neue Staat als »Nationalstaat« zu legitimieren, unter Berufung auf die 14 Punkte des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, die das nationale Selbstbestimmungsrecht der Völker propagiert hatten. Ein »dreinamiges Volk der Serben, Kroaten und Slowenen«, die als Zweige einer gemeinsamen »jugoslawischen Nation« zu sehen seien, so hieß es, habe mit dieser Staatsgründung seinen Nationalstaat errungen.
Wenngleich sich manche von diesem neuen Staat eine stabilisierende Funktion im Nachkriegseuropa erhofft hatten, führten gravierende Integrationsprobleme schnell dazu, dass er sich als äußerst instabil erwies. Ganz zu schweigen davon, dass seine Grenzziehungen viel mehr auf Machtpolitik und die realen Kräfteverhältnisse zurückzuführen waren, als auf die Umsetzung eines demokratischen Völkerrechts. Nicht nur die zahlenmäßig starke nichtslawische Bevölkerung des neu entstehenden südslawischen Staates, die Deutschen, Ungarn, Albaner, Türken, waren in die Staatsgründung nicht einbezogen worden, auch die kroatischen Bauern, die weitaus stärkste soziale Schicht sogar außerhalb Kroatiens, hatten keine politische Vertretung. Zudem sah sich der neue jugoslawische Staat mit massiven Gebietsforderungen an der Adriaküste vonseiten Italiens konfrontiert.
Professor Dr. Aleksandar Jakir (geb. 1966) ist seit 2007 Professor für Zeitgeschichte an der Abteilung für Geschichte der Philosophischen Fakultät der Universität Split (Kroatien). Zu seinen zahlreichen Veröffentlichungen gehören u.a.: Dalmatien zwischen den Weltkriegen: Agrarische und urbane Lebenswelt und das Scheitern der jugoslawischen Integration (2000); zusammen mit Heiner Timmermann (Hgg.), Europas Tragik. Ex-Jugoslawien zwischen Hoffnung und Resignation (2002); zusammen mit Marko Trogrlic (Hgg.), Klerus und Nation in Südosteuropa vom 19. bis zum 21. Jahrhundert (2014); zusammen mit Tanja Zimmermann (Hgg.), Europe and the Balkans. Decades of ›Europeanization‹? (2015)
Moderation: Dr. Angela Ilić (IKGS)
Ein Veranstaltung des Haus des deutschen Ostens – HDO und des Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e.V. – IKGS im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Versailles, Trianon, Brest-Litowsk. Das lange Ende des Ersten Weltkrieges und das östliche Europa«. Weitere Informationen zur Reihe: www.daslangeendevon1918.de
Datum | Di, 18.02.2020 |
Zeit | 19:00 Uhr |
Eintritt | Kostenfrei |
Barrierefrei | Nein |
Haus des Deutschen Ostens – HDO München
Am Lilienberg 5, 81669 München, Deutschland
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