Nicht jeder Winter in Estland ist bitterkalt. Aber wenn die Ostsee komplett zufriert, fällt dort trotzdem niemand in den Winterschlaf. Vielmehr eröffnen die Esten dann die längste auch für Pkws zu befahrende Eisstraße Europas: etwa 26 Kilometer lang, von Rohuküla auf dem Festland bis an die Ostküste der Insel Hiiumaa. Die Fähre im Sommer braucht eineinhalb Stunden. Wer die Eisstraße nimmt, ist in 20 Minuten drüben.
Raido Randmaa, Mitarbeiter des Straßenbauamts, wird dann extra zum Eisstraßenmeister abgestellt – und ist mit seinen 15 Kollegen rund um die Uhr im Einsatz. Er soll dafür sorgen, dass sich die Verkehrsteilnehmer an die Regeln halten. Regeln, die mit sonst üblichen Verkehrsgeboten zum Teil nur wenig zu tun haben: Anschnallen ist zum Beispiel verboten, denn falls man ins Eis einbrechen sollte, muss man so schnell wie möglich aus dem Auto heraus. Genauso wichtig ist der Abstand zum nächsten Fahrzeug: Er muss mindestens 250 Meter betragen – und das nicht in erster Linie, um Auffahrunfälle zu vermeiden, sondern damit man das Eis nicht zu sehr belastet und Risse vermieden werden. Jeden Tag kontrolliert Raido Randmaa die Eisdicke – ab 30 Zentimetern wird die Straße freigegeben.
Die Eisstraße ist eine Attraktion. Sie lockt Menschen aus dem ganzen Land an, auch die Fischer der Insel. Wenn ihre Boote festgefroren sind, legen sie neben der Trasse ihre Netze unter dem Eis aus. Sie machen aus der Not eine Tugend: Die durch den Verkehr verursachten Vibrationen locken Fische an und lassen sie direkt in die Falle tappen.
Ein Film von Till Lehmann, 2012, ca. 45 Min.
Estland im Winter
Weitere Informationen auf den Internet-Seiten des NDR