Fläche: 312.685 km²
Einwohner: 38,5 Mio.
Hauptstadt: Warschau
Amtssprache: Polnisch
Währung: Złoty
Kurze Geschichte Polens
Die Geschichte Polens beginnt im Jahr 963, in dem Herzog Mieszko durch Widukind von Corvey in einer lateinischen Chronik als fähiger Herrscher Misaca erstmals erwähnt wird. 966 fand die »Taufe Polens« statt, die zur Christianisierung des Landes führte. Bis 1138 wurde Polen, inzwischen vom Kaiser und Papst anerkannt, von den Herzögen und Königen aus der Dynastie der Piasten regiert. In der Zeit von 1138 bis 1320 wurde Polen in immer kleinere, unabhängige Fürstentümer aufgeteilt.
Ab 1386 förderte die Union Polens mit dem Großfürstentum Litauen unter dem Herrschergeschlecht der Jagiellonen (1386–1572) den Aufstieg Polens zu einer europäischen Großmacht, dessen Staatsgebiet von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichte. 1569 wurde die Union in einem gemeinsamen Staat gefestigt. In der von 1572 bis 1795 bestehenden Adelsrepublik mit Wahlkönigen entstand eine hohe parlamentarische Kultur mit umfangreichen Adelsrechten.
Verlust des Souveränität
Zahlreiche Kriege mit den Nachbarn, Bürgerkriege, Aufstände der ukrainischen Kosaken und der Unwille zu Reformen führten zur Schwächung des polnischen Staates und schließlich zu seinem Zusammenbruch durch die drei Teilungen Polens zwischen Preußen, Russland und Österreich in den Jahren 1772, 1792 und 1795. Dadurch verschwand Polen von 1795 bis 1918 als souveräner Staat von den Landkarten Europas. 1918, nach dem Ersten Weltkrieg und dem Friedensvertrag von Versailles, entstand die Zweite Polnische Republik, was zu Konflikten mit nahezu allen Nachbarstaaten führte. Im August 1939 vereinbarten Hitler und Stalin die Aufteilung Polens und annektierten die vertraglich geregelten Teile nach dem Septemberfeldzug 1939, mit dem der Zweite Weltkrieg begann. Nach Kriegsende und dem Vertrag von Jalta sowie dem Potsdamer Abkommen fiel die Volksrepublik Polen in den sowjetischen Einflussbereich und blieb dort bis 1989. Das Ende des Kalten Krieges machte den Weg frei für die Dritte Republik, die bald in die NATO und 2004 in die Europäische Union eintrat.
Deutsche in Polen
Die Christianisierung Polens nahm um 1000 ihren Ausgang im damaligen Deutschen Reich. Die ersten Deutschen kamen in dieser Zeit nach Polen. Das Deutsche Recht spielte eine bedeutende Rolle beim Landesausbau des mittelalterlichen Polen. In Breslau, Danzig, Thorn und zahlreichen Städten und Landregionen lebten seit den Siedlungsbewegungen im Mittelalter Deutsche. Ab dem 13. Jahrhundert kann man von einer Massenmigration der Bauern und Kaufleute aber auch der Adeligen und Geistlichen sprechen. Die polnischen Piasten waren familiär eng mit den deutschen Königs- und Adelshäusern verbunden. Die deutsche Migration nach Polen im 13. Jahrhundert beziffert man mit etwa 100.000 Personen – das ganze Land hatte damals etwa eine Million Einwohner. Die Einflüsse sind bis heute in der polnischen Sprache spürbar – viele Wörter, die mit der Stadtgründung, mit dem Handwerk, Baugewerbe oder dem Bergbau verbunden sind, sind deutschen Ursprungs. In Mittelpolen, Nordostpolen und in Galizien siedelten sich unter russischer und österreichischer Herrschaft seit Ende des 18. Jahrhunderts deutschsprachige Minderheiten an. Unter ihnen nahmen die deutschen Siedler im Lodzer Industriegebiet durch ihre Zahl und Stellung in der sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Textilindustrie eine besondere Rolle ein.
Deutsche »Existenzgründer« in Polen
Viele Deutsche machten in Polen Karriere – wie Johannes Höfen (1485–1548), der seinen Namen änderte und als Jan Dantyszek (Dantiscus – aus Danzig) erster polnischer Diplomat, Humanist, Dichter und Bischof von Ermland wurde. Um 1480 gründete Konrad Celtis die erste literarische Vereinigung in Krakau (Sodalitas Litteraria Vistulana), eine der Wiegen der humanistischen Revolution in Polen. Dreißig Jahre arbeitete in Krakau der Bildhauer Veit Stoß aus Nürnberg, in Polen bekannt als Wit Stwosz. Hans Dürer (Bruder von Albrecht) wurde zum Hofmaler des Königs Sigismund I. Weitere Beispiele sind Nikolaus Kopernikus, Johannes Hevelius, Martin Opitz, E.T.A. Hoffmann, die polnischen Könige aus Sachsen, die Mennoniten an der Weichsel, die Posener Kolonisten aus Bamberg – alles Persönlichkeiten, die Deutsche und Polen miteinander verbinden und die die Geschichte der beiden Länder mitgeprägt haben.
Vertreibung auf beiden Seiten
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die verbliebene deutsche Bevölkerung in den Westgebieten des wieder erstandenen polnischen Staates einen schweren Stand. In der Folge des Zweiten Weltkriegs und durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz 1945 wurden Polen die einstigen Ostgebiete des Deutsches Reiches zuerkannt – aus diesen neuen polnischen Westgebieten wurden die Deutschen vertrieben. Vor allem in Oberschlesien, teilweise auch in Ermland und Masuren, wurde die einheimische Bevölkerung einer »nationalen Verifikation« unterzogen; wer als »autochthon« klassifiziert wurde, musste im Land bleiben und konnte erst mit erheblicher Verzögerung als »Spätaussiedler« nach Deutschland übersiedeln.
Deutsche und Polen
Obwohl Deutsche und Polen eine über tausendjährige Nachbarschaftsgeschichte verbindet, wird das Verhältnis von Mythen, Klischees, Stereotypen und Vorurteilen bestimmt. Positive Aspekte der Nachbarschaft, die sich auch auf familiäre Bindungen erstreckt, wurden und werden immer noch vergessen und verdrängt. Die Perspektive wurde durch die Teilungen Polens und besonders durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen dominiert.
Das polnische kollektive Gedächtnis prägen mehrheitlich negative Aspekte der deutsch-polnischen Beziehungen wie die Polenpolitik Preußens mit der Folge der drei Teilungen Polens, der Bismarcksche Kulturkampf, die Ostmarkenpolitik und vor allem der Zweite Weltkrieg.
Nach 1945 bis heute
In den von der deutschen Bevölkerung verlassenen Gebieten wurden polnische Flüchtlinge und Vertriebene aus den jetzt zu Weißrussland, Litauen und zur Ukraine gehörenden Ostgebieten Polens angesiedelt. Die Existenz einer deutschen Minderheit in der Volksrepublik Polen wurde verschwiegen und nach der ersten Aussiedlungswelle Ende der 1950er Jahre offiziell nicht mehr registriert. Die kommunistische Regierung griff nationalistische Konzeptionen der Vorkriegszeit auf und legte das Geschichtsbild der westlichen Landesteile als »wiedergewonnene Gebiete« für Wissenschaft und Volksbildung verpflichtend fest. Geschichtsbücher wie wissenschaftliche Veröffentlichungen mussten bis in die 1980er Jahre die jahrhundertelange Herrschaft der Hohenzollern in Schlesien, Pommern, Ost- und Westpreußen selektiv und einseitig behandeln, während die Geschichte der historischen polnischen Ostgebiete vollständig tabuisiert wurde.
Erst seit der Lockerung der Zensur Mitte der 1980er Jahre und vollends seit der politischen Wende von 1989 ist die deutsche Geschichte des polnischen Westens und die Geschichte der Deutschen im übrigen Polen kein Tabuthema mehr. Es entwickelt sich ein neues Interesse an der deutschen Vergangenheit der Städte und Regionen, die gerade von der jungen Generation zunehmend als Teil ihrer regionalen Identifikation begriffen wird.
Seit Mitte der 1980er Jahre gab es in Oberschlesien Versuche, eine deutsche Minderheit zu organisieren. Anfang 1990 wurden die sozial-kulturellen Gesellschaften in den Woiwodschaften Oppeln und Kattowitz offiziell zugelassen. Die Rechte der deutschen Minderheit werden seit 1997 im Artikel 35 der polnischen Verfassung anerkannt. Ihre Vertreter finden sich in den Lokalverwaltungen wie im polnischen Parlament.
Gemeinsames Kulturerbe verbindet
Zwischen Deutschland und Polen finden heute viele Kooperationen in unterschiedlichsten Bereichen statt. Das gemeinsame Kulturerbe wird in den letzten Jahren wissenschaftlich thematisiert und akkulturalisiert. Seit 1994 stehen die Städte Breslau, Danzig und Frauenburg sowie die Marienburg auf der offiziellen polnischen »Liste der historischen Denkmäler«, seit 2012 finden sich auf dieser Liste auch elf preußische Schloss- und Parkanlagen des Hirschberger Tals. Die Friedenskirchen in Jauer und Schweidnitz sowie die Jahrhunderthalle in Breslau stehen auf der UNESCO-Welterbeliste. Auch die deutsche Literatur aus den heute polnischen Regionen wird in Polen neu entdeckt, verlegt und rezipiert. Seit über zwanzig Jahren setzt sich die polnische »Grenzlandliteratur« mit der deutschen Kultur und Geschichte auseinander und trägt zur Entwicklung der neuen regionalen Identitäten in Polen bei.
Unser Tipp
Die Städte:
- Warschau (Warszawa)
- Krakau (Kraków)
- Breslau (Wrocław)
- Thorn (Toruń)
- Danzig (Gdańsk)
und
- Die Masurische und Kaschubische Seeplatte
- Deutschordensburgen in West- und Ostpreußen
- Das Hirschberger Tal
- Die Friedenskirchen Schweidnitz (Świdnica) und Jauer (Jawor)
- Die barocken Klosteranlagen in Grüssau (Krzeszów), Leubus (Lubiąż), Heinrichau (Henryków) und Trebnitz (Trzebnica)
- Die industrielle und modernistische Architektur in Oberschlesien
- Das Vernichtungslager in Auschwitz
- Kreisau/Krzyżowa
Literatur & Links
Ascherson, Neal: Der Traum vom freien Vaterland. Polens Geschichte bis heute. Köln 1987.
Becher, Ursula; Borodziej, Włodzimierz und Maier, Robert (Hrsg.): Deutschland und Polen im 20. Jahrhundert. Hannover 2002.
Bingen, Dieter und Ruchniewicz, Krzysztof (Hrsg.): Länderbericht Polen. Bonn 2009.
Chwalba, Andrzej: Kurze Geschichte der Dritten Republik Polen 1989 bis 2005. Wiesbaden 2010.
Davies, Norman: Im Herzen Europas. Geschichte Polens. München 2000.
Escher, Felix und Vietig, Jürgen: Deutsche und Polen. Eine Chronik. Berlin 2002.
Jäger-Dąbek, Brigitte: Polen – Eine Nachbarschaftskunde. Berlin 2006.
Lawaty, Andreas und Orłowski, Hubert: Deutsche und Polen, Geschichte, Kultur, Politik. München 2003.
Pelzer, Friedhelm: Polen: eine geographische Landeskunde. Darmstadt 1991.
Torbus, Tomasz: Polen. Kunst – Reiseführer. Ostfildern 2012.
Urban, Thomas: Polen. München 2003.
Urban, Thomas: Von Krakau bis Danzig. Eine Reise durch deutsch-polnische Geschichte. München 2000.