Gábor György Papp, Ungarische Akademie der Wissenschaften Budapest
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Friedrich August Stülers Akademiegebäude in Budapest – eines der prominentesten Beispiele des Historismus in Ungarn, errichtet von einem Berliner Architekten.
Karl Vasquez: Pest und Buda, 1837/38
Rudolf von Alt: National Museum in Pest, 1847
Frigyes Feszl: Redoute von Pest, 1860-65
Miklós Izsó nach Hermann Schievelbein: Büste F.A. Stülers, 1865
Gyula Háry: Ungarische Akademie der Wissenschaften, Landes-Galerie (Országos Képtár), Großer Saal
Alajos Hauszmann: Kiosk am Elisabethparke in Pest, ca. 1872
Gyula Kolbenheyer: Entwurf zur Umgestaltung des Königsplatzes, Berlin, April 1895
Imre Steindl: Entwurf zum Reichstag, Berlin: Ansicht gegen den Königsplatz, 1872
Antal Szkalnitzky: Oktogon, Budapest
Gyula Rochlitz – JánosFeketeházy: Ostbahnhof, Budapest, 1881–84
Lent – Scholz – La Pierre: Lehrter Bahnhof, Berlin, 1869-1871

Zur Zeit des Historismus bestanden starke, wechselseitige Beziehungen zwischen der deutschen und der ungarischen Architektur, wobei Berlin und Budapest die Hauptrolle spielten. Im Vergleich zu anderen Epochen findet man in der Gattung der Baukunst weder früher noch später derart intensive Verbindungen zwischen den beiden Gebieten.

Einleitung

Mein Thema ist in gewisser Weise eine Vorstudie und eine Aufgabenzuweisung für ein Projekt (Deutsch-ungarische architektonische Beziehungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts), das vom Deutschen Kulturforum Östliches Europa in Potsdam und vom Forschungsinstitut für Kunstgeschichte der Ungarischen Akademie der Wissenschaften ins Leben gerufen wurde. Dieses Thema ist in der ungarischen Kunstgeschichtsschreibung nicht unbekannt, aber es wurde bis jetzt nicht systematisch aufgearbeitet – obwohl die Bedeutung der Beziehungen zum Ausland im Werdegang z.B. der Neurenaissance wohl bekannt ist. Der vorliegenden Text fasst die bisherigen Forschungsergebnisse zu diesem Thema, ergänzt durch die neuesten Kenntnisse, zusammen.

Die architektonischen Wechselbeziehungen zwischen Berlin und Budapest während der Periode des Historismus hängen eng mit den Wechselwirkungen zwischen Ungarn und Deutschen vor der Mitte des 19. Jahrhunderts zusammen. Anfänglich werde ich daher über die deutsche Bevölkerung in Ungarn und daneben auch über die Stadtstruktur des späteren Budapest sprechen. Danach werde ich auf das Stadtbild in Buda und vor allem in Pest eingehen und das das klassizistische Stadtzentrum beschreiben, in das später die Neoenaissancegebäude eingebettet wurden. Als direkte Vorphase des Historismus ist aus unserem Blickwinkel auch die Romantik in der Architektur sehr wichtig – dies nicht zuletzt im Zusammenhang mit den Beziehungen ins Ausland.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war München ein sehr wichtiges Ziel und Vorbild für ungarische Architekten, München und Bayern wurden jedoch am Ende 50er Jahre des 19. Jahrhunderts durch Berlin abgelöst. die Schlüsselperson bei dieser Entwicklung war auf deutscher Seite der Berliner Architekt und Akademieprofessor Friedrich August Stüler, der den Palast der Ungarischen Akademie der Wissenschaften entwarf, und auf ungarischer Seite die später noch zu erwähnenden Architekten Antal Szkalnitzky und Alajos Hauszmann. Im mittleren Teil meines Textes werde ich über ungarischen Architekten sprechen, die in Berlin studierten und wirkten.

Danach werde ich versuchen, anhand von Beispielen die Wechselwirkungen beider Kunstregionen zu zeigen, und schließlich mit der darstellung des ausgehenden Späthistorismus in Ungarn enden.

Historische Einführung, deutsche Bevölkerung

Warum ist Budapest für uns interessant? Budapest war eine der größten Städte des Kaiserreichs Österreich, später (ab 1867) der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Eine Stadt, die im Laufe ihrer Geschichte ununterbrochen enge Beziehungen zur deutschen Kultur hatte – einer Kultur, die nicht nur in Budapest, sondern überhaupt in Ungarn seit Jahrhunderten traditionell zugegen war. Bereits im Mittelalter ließen sich deutsche Siedler (teils auf Initiative des Königs) in wirtschaftlich entwickelteren Gebieten des damaligen Königreichs Ungarn nieder. Hierbei handelte es sich vor allem um die wegen ihrer Edelmetallförderung berühmten so genannten nordungarischen Bergstädte (Besztercebánya / Neusohl, Selmecbánya / Schemnitz) und ihre Umgebung (Kassa / Kaschau, Lőcse / Leutschau), sowie Städte in Siebenbürgen mit bedeutenden Salz- und Goldgruben (Segesvár / Schäßburg, Brassó / Kronstadt, Nagyszeben / Hermannstadt). Die deutschen Namen dieser Siedlungen bewahren ebenfalls das Andenken an die deutschen Siedler. Nachdem zwischen 1541 und 1686 das mittlere Drittel, das Kerngebiet des mittelalterlichen Königreichs Ungarn, zum Osmanenreich gehört hatte, war für die Migrationen der Neuzeit vom ausgehenden 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – Ungarn gehörte damals zum Kaiserreich Österreich – die bewußte Siedlungspolitik der Habsburger maßgeblich, im Verlaufe derer auf den entvölkerten Gebieten des vormals türkisch besetzten Landesteils Deutsche, Italiener und Slawen angesiedelt wurden. Maßgeblich blieb der deutsche Bevölkerungsanteil weiterhin vorwiegend in den wirtschaftlich einflußreichen Städten Nordungarns, die niemals türkisch besetzt waren. Als Beispiele können wir aus dieser Gegend einige Persönlichkeiten anführen, die im wissenschaftlichen Leben des 18. und 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielten. Goethes Lehrmeister, Friederich Oeser, wurde in Preßburg erzogen. Aus Kaschau stammte Imre Henszlmann, die große »Vaterfigur« der ungarischen Kunstgeschichtsschreibung, und der Schöpfer des Institutssystems der Kunstgeschichte und der Archäologie in Ungarn, sowie mehrere hervorragende Gestalten der klassizistischen und der romantischen Architektur Ungarns.

Die Stadtstruktur Budapests

Die Modernisierung und die Entwicklung des heutigen Budapest nahm um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Aufschwung.

Welches Bild zeigte die Stadt damals? Sie bestand aus drei Städten mit unterschiedlicher Vorgeschichte und unterschiedlichem Stadtbild: Pest, Buda und Óbuda. Pest, am linken Donauufer, in der Ebene gelegen, war eine Stadt mittlerer Größe mit landwirtschaftlichem Charakter, deren weitere Entwicklung durch die Abtragung der Stadtmauern zu Beginn des 19. Jahrhunderts ermöglicht wurde. Buda, am bergigen rechten Donauufer, war seit Mitte des 14. Jahrhunderts Königssitz. Auch in späterer Zeit spielte Buda als Verwaltungszentrum und Herrscherresidenz eine maßgebliche Rolle. Die noch im 19. Jahrhundert stehende Stadtmauer und das mittelalterliche Straßensystem haben hier eine Bautätigkeit von größerem Umfang oder eine Erweiterung nicht ermöglicht. Nördlich davon befand sich die dritte Siedlung: Óbuda, ein Marktflecken, von der Mitte des 17. Jahrhunderts an über ein Jahrhundert lang im Besitz der Aristokratenfamilie Zichy.

Die drei Siedlungen unterschieden sich nicht nur in ihrer Struktur, sondern auch in ihrer Bevölkerung. Ungarn fanden sich in größter Zahl in Pest – außerdem wohnten dort Deutsche und Slawen bzw. außerhalb der Stadtmauern Juden. in Buda lebten neben den Ungarn schon im Mittelalter in beachtlicher Zahl deutsche Bürger. Die im Burgviertel bis heute stehende spätmittelalterliche Kirche Unserer Lieben Frau (mit ihrem bekannteren Namen Matthiaskirche) war im Mittelalter die Pfarrkirche der deutschen Bürger, die bis 1945 dort stehende Maria-Magdalenen-Kirche war die Pfarrkirche der ungarischen Bevölkerung. In der befestigten Stadt Buda gab es in der 2. Häfte des 13. Jahrhunderts ein Judenviertel mit Synagoge. Im 14. Jahrhundert lebten in der befestigten Stadt Buda viele »welsche« und jüdische Händler, sie hatten, durch Straßennamen bezeugt, jeweils eine eigene Straße. In der Judengasse wurde die zweite Synagoge der Stadt errichtet. Unterhalb der Stadtmauern, am Donauufer, ließen sich Kaufleute – Griechen, Serben und Slowaken – nieder. In Óbuda lebten hauptsächlich Deutsche, Ungarn und seit Beginn des 19. Jahrhunderts auch Juden. Die Amtssprache war – nicht unabhängig von den zentralisierenden Bestrebungen der österreichischen Kaiser – bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Deutsch. Damit hing auch zusammen, dass auch die Unterrichtssprache, besonders in den höheren Schulen und so auch in der Ingenieursausbildung, bis 1860 das Deutsche war. Das war mit ein Grund dafür, dass die Architekten, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber auch nach 1850 in Pest tätig waren, überwiegend deutscher Muttersprache waren und aus den bedeutenderen Städten mit deutscher Bevölkerung stammten: in erster Linie aus Pest und dem mittleren Teil des damaligen Oberungarn, aus Kaschau und Umgebung. (Mit einiger Übertreibung könnte man behaupten, die ungarische Architektur des 19. Jahrhunderts sei zur Hälfte deutsch gewesen.)

Das klassizistische Stadtbild

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die größte Bautätigkeit in Pest entfaltet, wo die Abtragung der mittelalterlichen Stadtmauern den Ausbau neuer Stadtviertel ermöglichte. Nördlich vom alten Stadtkern, der sich seit dem Mittelalter im Gebiet zwischen der Donau und den Straßen Szervita tér – Városház utca – Gerlóczy utca – Semmelweis utca – Magyar utca – Szerb utca erstreckte, entstand ein klassizistischer Stadtteil mit rasterartigem Straßennetz aus öffentlichen Gebäuden und repräsentativen Stadtpalästen, mit dem heutigen Roosevelt-Platz, dem damaligen Ausladeplatz, in seinem Zentrum. Mehrere Hotels, der Palast der Kaufleute und die Zentrale der Lloyd-Gesellschaft standen dort. Etwas weiter abseits wurde Anfang des Jahrhunderts die klassizistische Kirche der deutschsprachigen evangelisch-lutherischen Gemeinde errichtet, und seit Mitte des 19. Jahrhunderts, ebenfalls in dieser Gegend, die grandiose Pfarrkirche des neuen Stadtviertels. Dieses schwungvolle, nie zuvor erlebte Wachstum war mittelbar Palatin Joseph, dem für Ungarn zuständigen Mitglied des Hauses Habsburg, zu verdanken, der 1802 den »Verschönerungsausschuß der Stadt Pest« ins Leben rief. Unter der Leitung dieser Organisation, deren Hauptaufgabe in der Stadtregulierung und -entwicklung bestand, begann in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts die Erweiterung der Stadt. Daran wirkten – wie hätte es anders sein können – die bedeutendsten Architekten der Zeit mit. Dieses Stadtviertel, mit seinem damaligen Namen die Leopoldstadt, wie auch einige hervorragende Gebäude, die mehr oder weniger auch heute in ihrer ursprünglichen Form existieren, galten als vorbildlich, nicht nur für die weitere Bautätigkeit der Zeit, sondern auch für die Stadtplanungsarbeiten der folgenden Jahrzehnte.

Die Lage der Architekten in Ungarn

Die Lage, die Rolle und die Möglichkeiten der Architekten wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch das Zünftesystem bestimmt. Die Genehmigung zur Ausübung jeglicher Bautätigkeit wurde aufgrund von theoretischem Wissen und einer von der Zunft bestimmten Prüfungsaufgabe erteilt. Auf diese Weise beaufichtigte und kontrollierte die Zunft die Bautätigkeit. Diese Rolle blieb bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bestehen, obwohl sich die Schwächung des Einflusses der Zunft seit den dreißiger Jahren bemerkbar machte. Darin spielte der zum Teil unabhängige, zum Teil in die Zuständigkeit des Palatins gehörende Pester Stadtverschönerungsausschuss eine wichtige Rolle. Die Bautätigkeit hing von der Auftragslage ab, und da der größte Auftraggeber die Stadt selbst war, erhielten zahlreiche Architekten vom Verschönerungsausschuss – später hieß er Bauausschuss – ihre Aufträge. Die namhafteren Meister wurden auch von Aristokratenfamilien beschäftigt, und allmählich trat auch die städtische Bürgerschaft als Auftraggeber auf. Sehr wichtige Aufgaben kamen von den Kirchen, vor allem von der katholischen Kirche. Das bedeutete einerseits Kirchenbauten, andererseits die Errichtung von anderen Bauten, die in den Wirkungsbereich der Kirche gehörten: Kapellen, Schulen usw.

Der Klassizismus in Ungarn

An den Denkmälern des Klassizismus in Ungarn lassen sich in erster Linie österreichische sowie französische und norditalienische Beziehungen nachweisen, an einem der bedeutendsten Denkmäler, am Ungarischen Nationalmuseum, das von dem begabten, aus einer italienischen Familie stammenden Architekten Mihály Pollack entworfen wurde, macht sich auch der Einfluß von J.N.L. Durands archetypischem Museumsentwurf (vgl. in Précis des leçons, 1802–1805) sowie von Schinkels Altem Museum bemerkbar. Die Anregungen seitens der deutschen Architektur erstarkten seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Mihály Pollack schuf 1840 einen Entwurf für ein in Pest zu errichtendes Landtagsgebäude, bei dem die Kenntnis von Klenzes Münchner Residenzschloß (1837) und von einigen Blättern von Schinkels Sammlung Architektonischer Entwürfe vorausgesetzt werden darf. Im Jahr 1844 wurde ein internationaler Wettbewerb für das ungarische Parlamentsgebäude ausgeschrieben, für den auch Friedrich Wilhelm Ludwig Stier eine gotisierende monumentale Preisarbeit verfertigte, die er aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eingereicht hat. Diese Blätter wurden 1866 auch dem Berliner Publikum gezeigt. Die Entwurfsfolge wird in der Plansammlung der Bibliothek der Technischen Universität aufbewahrt. Das Parlament wurde damals nicht errichtet, sondern nach weiteren Preisausschreiben und einem provisorischen Gebäude erst zwischen 1885 und 1902 nach Entwürfen von Imre Steindl verwirklicht.

Die Romantik in Ungarn als Vorphase des Historismus

Bei den Schöpfungen der romantischen Architektur in Ungarn sind die Fäden nach Deutschland, vor allem nach München, besonders stark. Die Hauptfigur der romantischen Architektur in Ungarn, Frigyes Feszl, schuf nach Studien in München seine Gebäude in der Pester Innenstadt, die Verwandtschaft mit dem Rundbogenstil und mit der Baukunst der venezianischen Renaissancearchitektur aufweisen, sowie Villen in der Gemarkung von Buda im Stil der Tiroler und Schweizer Bauernhöfe und der Schweizerhäuser. Wie von seinen Entwürfen bezeugt wird, bemühte sich Feszl von den vierziger und fünfziger Jahren an, durch die Aufnahme dieser Impulse sowie durch die Verwendung von Motiven der ungarischen Bauernarchitektur eine ungarische nationale Baukunst zu schaffen. Sein bedeutendstes Werk, die Pester Redoute (1860–1865), ist eines der spätesten und doch sozusagen das emblematische Denkmal der romantischen Baukunst Ungarns. Unter anderen studierte auch Miklós Ybl, der bedeutendste und wirkungsreichste Architekt der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, in München. Während seiner Schaffenszeit von über vier Jahrzehnten schuf er Gebäude, die das Stadtbild maßgeblich beeinflußten. Unmittelbar nach seiner Münchner Studienzeit baute er im Auftrag eines Aristokraten nahe bei Pest, in der Gemeinde Fót, die Pfarrkirche (1845–1855), die sich mit Gartners Ludwigskirche in Beziehung bringen läßt.

Anfänge des Historismus in Pest

Gleichzeitig mit der Redoute wurde auf dem Ausladeplatz in Pest – damals der verkehrsreichsten, sich am dynamischesten entwickelnde Platz der Stadt –, dem heutigen Roosevelt-Platz, der Palast der Ungarischen Akademie der Wissenschaften errichtet (1862–1865). Dies ist das erste Gebäude, bei dem durch die Teilnahme von Friedrich August Stüler die Berliner Architekturbeziehungen eindeutig sind. Am Preisausschreiben beteiligten sich neben Miklós Ybl, Imre Henszlmann und seinen Mitarbeitern sowie Antal Szkalnitzky auch Heinrich Ferstel aus Wien. Um die teils gotisierenden, teils klassizisierenden Entwürfe entfachte sich eine ernsthafte Fachpolemik, die auch die öffentliche Meinung stark beschäftigte: Es ging darum, dass der Bau nach einigen Vorstellungen in einem historischen Stil gehalten werden sollte, der der ungarischen Nation am meisten passte. Welcher nun dieser sei, darüber konnte jedoch keine Einigung erzielt werden. Da es zu keiner Entscheidung gekommen war, wurde ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben, zu dem auch Leo von Klenze und der Berliner Architekt und Professor der Bauakademie Friedrich August Stüler eingeladen wurden. Die Entwürfe von Klenze zeigen eine Baumasse im Frührenaissancestil mit hellenisierende Detailformen. (Kein Blatt der Folge ist vom Künstler signiert, einige tragen die Signatur G. Lönholdt Arch Frankfurt a/m.) An Stülers vier Entwurfsvarianten, die von 1861 bis zum Mai 1862 ausgeführt wurden, begegnet man einer Formgebung im Spätrenaissancestil. Obwohl seine Entwürfe keinen eindeutigen Erfolg erzielten, akzeptierten die Preisrichter dennoch seine Ideen zur Ausführung, und diese Entscheidung hatte für den weiteren Verlauf der Architektur in Ungarn große Bedeutung, weil mit dem Akademiepalast in Pest der erste Neurenaissancebau entstand, der bei den Bauten der folgenden Jahre als Vorbild diente.

Die Errichtung des Akademiepalastes war andererseits deshalb ein wichtiges Ereignis für die Baukunst in Ungarn, weil an der Ausführung zwei ungarische Architekten teilnahmen, die in den späteren Jahren eine bedeutende Rolle spielen sollten. Der eine war der bereits erwähnte Miklós Ybl, dem die Bauleitung übertragen wurde, der andere Antal Szkalnitzky. Er reichte ebenfalls einen Entwurf ein, den aber die Jury – wenn man so sagen darf – nicht ernstnahm. Die Person von Szkalnitzky ist für uns wichtig, weil er zwischen 1857 und 1859 an der Berliner Bauakademie ein Schüler Stülers war. Neben seinen Studien arbeitete er im Atelier von Stüler und Heinrich Strack, daneben beteiligte er sich an mehreren Architekturwettbewerben. Es hat den Anschein, dass er sich bereits damals den akademischen Spätklassizismus der Jahrhundertmitte aneignete, dabei waren ihm auch die modernsten Strukturlösungen der Zeit (z.B. die Deckenkonstruktion des Neuen Museums) wohlbekannt. Wegen der persönlichen Bekanntschaft nahm er 1862 in Berlin an der Erarbeitung der endgültigen Pläne teil, führte auf Bitten des betagten Meisters die Detailentwürfe des Palastes aus und vertrat ihn (zusammen mit Ybl) auch in der Bauleitung.

Ungarische Architekten an der Berliner Bauakademie und der Technischen Hochschule. Ein Vergleich mit der Architektenausbildung in Budapest

Antal Szkalnitzky war der erste in der Geschichte der Baukunst Ungarns, der seine Studien in der preußischen Hauptstadt absolvierte. In den darauffolgenden Jahrzehnten folgten ihm noch weitere, die nach ihren Berliner Studienjahren im letzten Viertel des Jahrhunderts in Budapest eine wichtige Rolle spielten (und nicht selten eine Professur erhielten).

Hier müssen wir kurz darauf eingehen, warum bis zu den 70er und 80er Jahren die Studien im Ausland vorherrschend waren. In erster Linie lag das am relativ niedrigen Niveau der Architektenausbildung in Ungarn. Das 1846 gegründete Josephs-Polytechnikum, das 1872 offiziell zur Technischen Universität erhoben worden war, erreichte erst in den 80er Jahren einen Rang, der die jungen Menschen dazu bewegte, statt in Berlin, Wien oder Zürich lieber an der Budapester Technischen Universität ihr Architekturdiplom zu erwerben.

Im folgenden heben wir unter den etwa zwei Dutzend ungarischen Architekten die wichtigsten hervor. Alajos Hauszmann war einer der fruchtbarsten, vielbeschäftigten Architekten im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, der moderne Krankenhausensembles, den Gerichtspalast und den Justizpalast entwarf, außerdem sind mit seinem Namen die Erweiterung des Budaer Königspalastes und das zentrale Gebäude der Budapester Technischen Universität verbunden, auf das wir noch zurückkommen. Er studierte zwischen 1866 und 1868 an der Bauakademie. Zur gleichen Zeit studierten außerdem Ödön Lechner und Gyula Punczmann (später Pártos) bei Richard Lucae an der Bauakademie. Diese beiden entwarfen in den folgenden Jahrzehnten gemeinsam Gebäude im stilistischen Grenzgebiet der französischen Neorenaissance und der floralen Sezession. Bei Hauszmann läßt sich der Einfluß der Berliner Architektur, wie wir noch sehen werden, eindeutig nachweisen, sowohl am Fassadensystem und an der Verteilung der Bauvolumina als auch an der Raumgestaltung. Bei Punczmann und vor allem bei Lechner ist diese Beziehung, die Schulung, weniger augenfällig, aber an den öffentlichen Bauten Lechners und an seinem Museum aus den neunziger Jahren setzt seine Raumfügung die Kenntnis der deutschen Museumsgebäude (vor allem der Semperbauten) voraus. Etwa ein Jahrzehnt später (zwischen 1874 und 1877) absolvierte Ignác Schöckl (später Alpár), eine bedeutende Figur des ungarischen Späthistorismus und Neubarock, seine Studien in Berlin. Schließlich soll noch Géza Györgyi, Mitglied einer namhaften ungarischen Architektenfamilie, erwähnt werden, der zwischen 1872 und 1875 an der Bauakademie bei Lucae und Boetticher studierte. Seine Studienzeichnungen sind aus seinem Nachlaß bekannt.

Obwohl wir außer den dreißig Jahre später entstandenen Erinnerungen Alajos Hauszmanns praktisch über keine direkten Angaben dazu verfügen, welche Vorlesungen die einzelnen Architekten in Berlin besuchten, läßt sich in Kenntnis der Struktur des Unterrichts soviel feststellen, dass sie höchstwahrscheinlich die Vorlesungen »Die wichtigsten Baustile aller Länder und Zeiten«, »Land- und Schönbau«, »Nachahmendes Zeichnen und Entwerfen«, »Entwerfen öffentlicher Gebäude« sowie »Ornamentzeichnen« belegten.

Hinsichtlich der Auslandsstudien spielte für die Ungarn neben Berlin auch Wien eine lang anhaltende, ähnlich bedeutende Rolle. Die Architekten, die dort studierten, lassen sich als Hansen- bzw. Schmidt-Schüler eindeutiger in Schulen einordnen als, die ihre in Berlin erhielten. Bei den letzteren, insbesondere in der ersten Generation, lässt sich die Übernahme der klassizistisch geprägten Neorenaissance bzw. deren Verarbeitung beobachten. Ich glaube die Tatsache, dass in der ungarischen Architektur des 19. Jahrhunderts die Neorenaissance derart stark vorherrschte, zu einem nicht geringen Teil auf den Einfluss Berlins zurückführen zu können.

Neben München, Berlin und Wien sind noch einige weitere Städte zu nennen, die hinsichtlich der Ausbildung ungarischer Architekten eine Rolle spielten: Karlsruhe, Stuttgart, Dresden bzw. später Zürich.

Wie bereits erwähnt, ging die Bedeutung der ausländischen Akademien von den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts an allmählich zurück. Bedeutende Architekten unternahmen bereits seit den 50er Jahren an ernsthafte Kraftanstrengungen zur Schaffung der fehlenden Architekturausbildung in Ungarn. Hier soll Antal Szkalnitzky erwähnt werden, der am Josephs-Polytechnikum 1864 Professor der Kunst- und Monumentalbaukunde wurde. Es ist bezeugt, dass er in diesem Rahmen auch Architekturgeschichte (und bis zu einem gewissen Grade auch Stilgeschichte) unterrichtete. Diesbezüglich konnte er über ein frisches Fachwissen aus Berlin verfügen, wo er Vorlesungen zu diesem Themenkreis besucht hatte. Bei der Erarbeitung der Thematik standen weder ihm noch Alajos Hauszmann, der ab 1870 am Polytechnikum unterrichtete, Fachwerke in ungarischer Sprache zur Verfügung. Szkalnitzky bat um Musterblätter aus Berlin, und Hauszmann erinnerte sich später, dass er das Unterrichtsmaterial aus der deutschen Fachliteratur und aus seinen eigenen Mitschriften der Berliner Vorlesungen zusammengestellt hatte. Hauszmann übte auf die jüngere Architektengeneration einen sehr bedeutenden Einfluß aus, teils als Professor am Polytechnikum (ab 1872 an der Technischen Universität), teils – und nicht unabhängig davon – als Architekt, der eines der größten Architektenbüros der ungarischen Hauptstadt unterhielt, wo ein erheblicher Teil der jungen Architekten zeitweise mitarbeitete.

Ungarische Architekten in der Berliner Praxis

Die neuesten Ergebnisse der deutschen Architektur erreichten, wie wir gesehen haben, sehr schnell Ungarn. Dies lag zu einem großen Teil an den persönlichen Verbindungen. Stüler bat um Szkalnitzkys Hilfe bei der Erarbeitung der Detailentwürfe für die Akademie der Wissenschaften in Budapest, und es war Szkalnitzky, der wohl aufgrund seiner Berliner Beziehungen Hauszmann und Punczmann/Pártos dazu riet, ihre Studien an der Berliner Bauakademie zu absolvieren. Die meisten ungarischen Architekten in Berlin waren auch Mitglieder des Architekten-Vereins zu Berlin und sie nahmen auch am öffentlichen Leben des Fachs teil. In diesen Bereich gehörten auch die monatlichen und die großen (jährlichen) »Konkurrenzen« des Vereins, an denen sich Punczmann/Pártos und Ignác Schöckl/Alpár gleicherweise wiederholt beteiligten.

Äußerst große Bedeutung hatte die Praxis, die sie in den einzelnen Architektenbüros erwerben konnten. Es gab später mehrere Architekten, die um die Jahrhundertwende nach Erwerb ihres Diploms in Budapest für einige Zeit ausdrücklich mit diesem Ziel nach Berlin fuhren. Szkalnitzky arbeitete 1858/59 bei Stüler und Strack. Der vorhin erwähnte Hauszmann nahm parallel zu seinen Studien 1867 bei August Orth an der Errichtung des Berliner Doms teil. Gyula Punczmannn/Pártos beteiligte sich im Juni 1868 an der Monats-Konkurrenz des Architekten-Vereins zu Berlin mit dem Entwurf für ein Magazingebäude (PS.MK 33-016, 33-017). Während seiner Studienzeit arbeitete Ignác Alpár bei August Tiede und bei Lucae. Um diese Zeit, zwischen 1875 und 1877, wurde nach Entwürfen Tiedes die Bergakademie auf der Invalidenstraße errichtet, an deren Ausführung auch der junge Alpár mitwirkte. Es ist auch bezeugt, dass er bei Lucae beim Bau des Palais Borsig zugegen war. Nach Erwerb seines Architektendiploms blieb er noch längere Zeit in Berlin, 1878 arbeitete er an der Ausführung des Central Hotels nach den Entwürfen von Hude und Hennicke. Parallel dazu schuf er Preisarbeiten für die Monatskonkurrenzen des Architekten-Vereins zu Berlin: Entwurf eines Sommertheaters (März 1878, PS MK 45-073—076), Kneipzimmer (Oktober 1878, PS MK 47-21a, b), Stall- und Ökonomiegebäude (Mai 1880, PS MK 50-073—076), Bibliothekszimmer (Juni 1880, PS MK 50-077, 078). Im Jahr 1880 erlangte er beim Jahreswettbewerb mit dem Vereinshaus der Berliner Kunstgenossenschaft den geteilten zweiten Preis. An diesem Wettbewerb beteiligte sich auch Ludwig Bohnstedt mit seiner Preisarbeit Es irrt der Mensch, so lang’ er strebt. Gyula Kolbenheyer reichte für die Aprilkonkurrenz des Architekten-Vereins eine Preisarbeit zur Gestaltung des Platzes vor dem Reichstag ein.

Ungarische Architekten fielen von Zeit zu Zeit bei verschiedenen Wettbewerben in Berlin auf. So reichte z.B. Imre Steindl, der in Wien studiert hatte und von 1870 an Professor an der Pester Technischen Universität war, im Jahre 1872 1872 eine Arbeit für den Reichstagswettbewerb ein. Alajos Hauszmann, der regelmäßige Beziehungen nach Berlin unterhielt, sandte den Entwurf einer seiner in Pest verwirklichten Arbeiten nach Berlin zur Konkurrenz ein: die Zeichnung des 1872/73 errichteten, seitdem abgetragenen Kioskes auf dem Pester Erzsébet-Platz, die sich in der Berliner Plansammluung erhalten hat.

Die vorhin dargestellten persönlichen Beziehungen schufen auch die Grundlagen dafür, dass die Architekten in Ungarn durch Fachzeitschriften und Musterbücher über die jeweils neuesten Ergebnisse der deutschen Baukunst informiert waren. Bei der Untersuchung stilistischer Beziehungen muß auch dieser Aspekt unbedingt in Betracht gezogen werden. Das Vorhandensein ausländischer Fachzeitschriften rief aber auch den Anspruch auf die Schaffung einheimischer Fachorgane ins Leben, die zum Teil in deutscher Sprache erschienen (z. B. die Bauzeitung für Ungarn, ab 1874).

Deutsche Architekten in Ungarn

Der andere, nicht minder wichtige Aspekt der deutsch-ungarischen architektonischen Beziehungen war die Tätigkeit deutscher Architekten – oder von Architekten mit deutscher Muttersprache – in Ungarn. Die Mitwirkung von Stüler und Klenze am Palast der Ungarischen Akademie der Wissenschaften gehört in unserer Epoche zu den wichtigsten Momenten. Neben der Teilnahme an Wettbewerben kam es von den 70er Jahren an vor, dass deutsche Architekten für kürzere oder längere Zeit in Ungarn wirkten. Es gibt Dokumente, gemäß denen Gottfried Semper in den 60er Jahren im Auftrag von Aristokraten die Umgestaltung von Schlössern in Ungarn entwarf (z. B: in Hörcsökpuszta) Einige dieser Architekten kehrten nach einigen Jahren wieder heim, andere ließen sich endgültig in Ungarn nieder. Artúr Meinig kam aus Dresden in die ungarische Hauptsadt (er entwarf für die Familie Andrássy ein Schloss), Henrik Smahl kam aus Stuttgart.

Beispiele für Wechselwirkungen

Nach alldem soll nun einen Überblick über die wichtigeren Bauvorhaben des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts in Budapest folgen.

Mit dem sog. Ausgleich mit Österreich, also mit der Schaffung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, wurde Ungarn zu einer Hälfte einer Doppelmonarchie. Dies brachte in den 70er Jahren einen allgemeinen Aufschwung, insbesondere in der Hauptstadt. (Auch diese starke Konjunktur zog ausländische Architekten an.) Im Zusammenhang mit dem gewaltigen Boom wurden die drei eingangs erwähnten, inzwischen zusammengewachsenen Städte 1873 vereint – seit jener Zeit heißt die Hauptstadt Ungarns Budapest. Im Rahmen einer umfassenden architektonischen Konzeption kam es auf der Pester Seite zur Modernisierung der Stadtstruktur. Noch Ende der 60er Jahre begann der – 1873 vollendete – Ausbau der repräsentativen Radialstraße (später Andrássy-Straße) und deren Bebauung mit bedeutenden Stadtpalästen und Villen. Darauf folgte – teils nach Wiener, teils nach Pariser Vorbild – der Ausbau des sogenannten Großen Rings (von der Margaretenbrücke bis zur Petőfi-Brücke) um die ständig wachsende Innenstadt. Ein wichtiger Platz, der die Andrássy-Straße gliedert, und die dort stehenden vier Paläste wurden von Szkalnitzky entworfen. Die Zeitgenossen konnten dort zum ersten Mal in ihrer Einheit und im Kontext der Städtebaus der Berliner Neorenaissance begegnen, die zunächst – wie die Zeitungen berichteten –als etwas trocken empfunden wurde.

Im äußeren, lockerer bebauten Teil der Radialstraße bzw. in deren unmittelbarer Nähe stehen mehrere Villen, die von enger Beziehung zur zeitgleichen Berliner Architektur zeugen. Die Villa Weininger, deren Parallelen und spätere Verwandte sich in Berlin befinden (Kurfürstendamm 6–6a, heute Budapester Straße), wurde zwischen 1874 und 1876 von Gusztáv Petschacher errichtet. Nach Entwürfen eines in Berlin studierten Architekten, Emil Unger, entstand eine ganz außerordentliche Villa für ein Mitglied der aus Berlin stammenden und Budapest ansässig gewordenen Familie Wechselmann (in der Familie gab es auch einen Architekten). Die bezeichnende riesige Loggia, die zwei Geschosse zusammenfaßt, scheint mit der Villa Arons (Bismarckstr. 26.) und mit dem Motiv der Fassade der Potsdamer Orangerie zusammenzuhängen.

Eine wichtige Verkehrsader der Hauptstadt im Umbruch war eine weitere Radialstraße, die vom sog. Szolnoker Tor ausging. Am Anfang dieser Straße wurde zwischen 1873 und 1876 nach Entwürfen Szkalnitzkys das heute nicht mehr bestehende Nationaltheater errichtet. Hier begegnet man einer Verteilung der Volumina und einem Fassadensystem, die außer der Berliner Neorenaissance auch den Einfluß der italienischen Spätrenaissance des 16. Jahrhunderts erkennen lassen. In strengem Neorenaissancestil wurde in der alten Pester Innenstadt die Universitätsbibliothek errichtet – sie wäre ohne Kenntnis von Stülers Nationalgalerie wirklich nicht denkbar. Der bereits erwähnte Imre Steindl, von dem auch eine Preisarbeit für den Reichstag bekannt ist, hat im Zusammenhang mit unserem Thema in mehrerer Hinsicht große Bedeutung. Einzelne Elemente seines Reichstagsentwurfs kehren (unter Einbeziehung von Formen von Schmidts Steinhofer Kirche) an seinem Hauptwerk, dem Budapester Parlamentsgebäude, wieder. Am Wettbewerb zum Parlamentsgebäude in Pest nahm auch Alajos Hauszmann teil, sein Entwurf zeigt eine Verwandschaft zu Wallots Reichstagsgebäude. Zu erwähnen ist noch das Neue Pester Rathaus von Imre Steindl in Neorenaissanceformen, das mit der modernsten Eisenstruktur und mit einem imposanten schmiedeeisernen Treppenhaus ausgeführt wurde. Die Formen der italienischen Spätrenaissance (des Strozzi-Palastes) treten an einem Stadtpalast des anerkannten, von der Aristokratie vielbeschäftigten Alajos Hauszmann sozusagen Wort für Wort in Erscheinung. Unter den späteren Arbeiten von Hauszmann finden sich monumentale Auftragswerke. Unter diesen seien hier der Umbau des Budaer Königspalastes (1896–1905) und das zentrale Gebäude des neuen Ensembles der Technischen Universität (1906–1909) erwähnt. Dieses Ensemble wurde entsprechend den modernen Ansprüchen auf einem großen gemeinsamen Grundstück mit Pavillons, Nebengebäuden und einem Hauptgebäude errichtet. Die Anordnung, das Volumen und das Fassadensystem des Hauptgebäudes sowie die Raumfügung folgen gleicherweise Berliner Beispielen (s. Technische Hochschule, Berlin).

Dank den regelmäßigen Beziehungen, den Musterblättern und nicht zuletzt der aktiven Mitwirkung von Architekten und Ingenieuren deutscher Abstammung an den Bauvorhaben in Ungarn findet sich auch unter den Werken im Bereich der Ingenieurbauten mehr als eines, an dem deutsche (Berliner) Einflüsse erkennbar sind. Das wichtigste unter diesen ist der Budapester Ostbahnhof (Gyula Rochlitz, János Feketeházy, 1881–1884), der in enger Beziehung zum Lehrter Bahnhof steht (Lent, Scholz, La Pierre, 1969–1871). Zum letzten großen Aufmarsch des Historismus in Ungarn kam es um 1896 anlässlich der landesweiten Feierlichkeiten des Millenniums, bei denen auch die nationale Vergangenheit konstruiert wurde, und die zugleich auch den Ausklang der Neostile bedeuteten. Zu den Feierlichkeiten entwarf Ignác Alpár am damaligen äußeren Rand von Pest ein provisorisch gedachtes Ausstellungsgebäude, das im Volksmund Schloss Vajdahunyad heißt. Der Baukomplex besteht aus Zitaten aus verschiedenen, historisch bedeutenden mittelalterlichen sowie Renaissance- und Barockbauten Ungarns – ein Gedanke, der in der Baukunst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert öfter in Erscheinung tritt (vgl. New York, The Cloisters, 1920er Jahre).

Zusammenfassend kann man feststellen, dass zur Zeit des Historismus zwischen der deutschen und der ungarischen Architektur starke, wechselseitige Beziehungen auf mehreren Linien bestanden, wobei Berlin und Budapest die Hauptrolle spielten. Im Vergleich zu anderen Epochen findet man in der Gattung der Baukunst weder früher noch später derart intensive Verbindungen zwischen den beiden Gebieten. Mit dieser kurzen Übersicht wollte ich die Aufmerksamkeit auf den Reichtum des Themas hinlenken, der für die Erschließung der Beziehungen gewiss noch vielfache Möglichkeiten bereithält.

Friedrich August Stülers Akademiegebäude in Budapest
Eine virtuelle Ausstellung mit architekturgeschichtlichen Informationen von Gábor György Papp

A Magyar Tudományos Akadémia Művészeti Gyűjteménye
Informationen zur Kunstsammlung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, an der Gábor György Papp beschäftigt ist (in ungarischer Sprache)

Berlin und Budapest. Beispiele der architektonischen Wechselbeziehungen im Historismus
Ein Vortrag von Gábor György Papp, Ungarische Akademie der Wissenschaften Budapest