Deutsche im Land des Feuers
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Das Denkmal für Richard Sorge in Baku

Fläche: 86.600 km²
Einwohner: 9,2 Mio.
Hauptstadt: Baku
Amtssprache: Aserbaidschanisch (Azeri)
Währung: Manat

Persisch geprägte Geschichte

Diese außerordentlich vielgestaltige Region, die mit dem Großen Kaukasus im Norden und dem Talysch-Gebirge an der Grenze zum Iran bekannt ist für seine Artenvielfalt, war schon seit der frühen Steinzeit besiedelt. Nach der Eroberung durch Alexander den Großen 331 v. Chr. hieß der selbstständige Staat auf dem Gebiet des heutigen Aserbaidschan Atropatene. Während sich der nördliche Teil, Albania, christlich orientierte, nahm Atropatene die Lehre Zarathustras an, bis die Araber den Islam durchsetzten. Im 16. und 17. Jahrhundert verteidigten die Perser dieses Gebiet, über das sie seit dem 9. Jahrhundert – unterbrochen vom Mongoleneinfall – unter wechselnden Dynastien herrschten, gegen das Osmanische Reich.

Schwäbische Pietisten suchen Glaubensfreiheit

Die größte Siedlung schwäbischer Pietisten, die sich vor allem Toleranz in Glaubensfragen erhofften, entstand 1817 in Helenendorf, dem heutigen Göygöl. Zu dieser Zeit war mit den Verträgen von Gülistan (1813) und Turkmantschaj (1828) das nördliche Aserbaidschan an das Russische Reich gefallen, während das südliche Teil Persiens blieb.

Aufbruchstimmung im 19. Jahrhundert

Morgenstimmung in Helenendorf/GöygölMorgenstimmung in Helenendorf/Göygöl

Neben Wein, den die deutschen Siedler in ihren Kolonien anbauten und zum größten Teil verkauften, stieß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Förderung von Erdöl auf lebhaftes Interesse seitens deutscher Unternehmer. In der Region um Baku, vor allem auf der Halbinsel Abscheron, war die dunkle, zähe Flüssigkeit, die sich oft mit einer Flamme ihren Weg an die Erdoberfläche bahnte, seit Urzeiten bekannt. Diesem Phänomen könnte das Land des Feuers, Atropatene, sogar seinen Namen verdanken. Im Zuge des industriellen Aufschwungs und der Entdeckung neuer Fördertechniken erfuhr Baku, auch wegen seiner verkehrsgünstigen Lage am Kaspischen Meer, eine rasante, international geprägte Entwicklung, die auch von deutschen Kaufleuten, Handwerkern und Industriellen angekurbelt wurde.

Sowjetische Herrschaft

Nach einer kurzen Phase der Unabhängigkeit als bürgerlich-demokratische Republik 1918–1920, in deren Parlament auch ein Deutscher vertreten war, konnte Aserbaidschan erst 1991 eine zweite Unabhängigkeit erringen. Zunächst Teil der Transkaukasischen Föderation, zählte es seit 1936 zu den 15 selbständigen Republiken der Sowjetunion. Nach einer erneuten Blütezeit in den 1920er Jahren erging es den deutschen Kolonisten und den deutschen Bewohnern Bakus schlecht, sie wurden Zeuge fortschreitender Verstaatlichung und Kollektivierung sowie Opfer von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen. Ab 1941 wurden alle Deutschen, die nicht in gemischten Ehen lebten, deportiert.

Wiederbelebte deutsche Traditionen in Aserbaidschan

In Baku wurde 2010 die evangelisch-lutherische Kirche samt Gemeindehaus rekonstruiert und zu einem Kulturzentrum umgewandelt. Seit 2011 ist dort die erste Pastorin Aserbaidschans ordiniert. Mit der Wiederaufnahme des Weinbaus versucht das ehemalige Helenendorf Werbung zu machen, und auch in anderen ehemals deutschen Siedlungen werden deutsche Spuren bewahrt – wie die 1909 errichtete evangelische Kirche in Schämkir, ehemals Annenfeld.

Unser Tipp

Das Denkmal für den Journalisten und Spion für die Sowjetunion, Richard Sorge, der 1895 in Baku geboren wurde, in einem Park nördlich des Stadtzentrums. Sein Vater, geboren in Wettin, war als Ingenieur schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die Erdölfelder Bakus gekommen und hatte sich in Fördertechniken für Erdöl spezialisiert. Durch sein ausgezeichnetes Netzwerk konnte Richard Sorge Stalin sowohl vor Hitlers Angriff warnen – was dieser verhängnisvollerweise ignorierte – als auch informieren, dass Japan die Sowjetunion nicht im Osten angreifen würde. Dadurch konnte Marschall Schukow Truppen in Sibirien abziehen und Hitlers Vormarsch kurz vor Moskau stoppen.

Literatur

Auch, Eva-Maria; Nawroth, Manfred: Entgrenzung. Deutsche auf Heimatsuche zwischen Württemberg und Kaukasien
Verlag des Deutschen Kulturforums östliches Europa, Potsdam 2017

Auch, Eva Maria: Öl und Wein am Kaukasus. Deutsche Forschungsreisende, Kolonisten und Unternehmer im vorrevolutionären Aserbaidschan. Wiesbaden 2001.

dies.: Deutsche Winzer im multiethnischen Umfeld Aserbaidschans. Der Erinnerungsbericht des Julius Vohrer (1887–1979), hg. u. komm. v. Eva-Maria Auch, Berlin 2011.

Hummel, Jakob: Das heimatkundliche Museum zu Helenendorf in Aserbaidschan. Moskau 1929.

Mietag, Esmail: Meine Fahrt durch (Süd-)Aserbaidschan. Berlin 1998.

Reiss, Tom: Der Orientalist. Auf den Spuren von Essad Bey. Berlin 2008.

Reitenbach, Edgar: Vom Kaukasus nach Kasachstan. 3 Bände. Dortmund 2005-2007.

Schweinitz, Hans-Hermann Graf von: Helenendorf. Eine deutsche Kolonie im Kaukasus. Berlin 1910.

Links

Helenendorf
Ein Artikel über Helenendorf im Eurasischen Magazin.

Deutsche in Aserbaidschan
Informationen zum deutschen Einfluss auf die Entwicklung Aserbaidschans.

Eurokaukasia
Der Verein Eurokaukasia bietet eine Plattform zum Wissensaustausch zwischen den Menschen Europas über den Kaukasus bis Asien.