Hanse und Ordensritter
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Das Barockschloss Mitau/Jelgava wurde 1738 von Herzog Ernst von Biron in Auftrag gegeben.
Schloss Ruhenthal/Rundāle, diente als Sommerresidenz der kurländischen Herzöge.
Das klassizistische Schloss Mesothen/Mežotne.
Gebäude im Jugendstil in Riga.
Schloss Schloss Ruhenthal/Rundāle. Blick von der Parkseite

Fläche: 64.589 km²
Einwohner: 2,2 Mio.
Hauptstadt: Riga
Amtssprache: Lettisch
Währung: Euro

Der folgende Text ist bis zur Rubrik »Unser Tipp« weitgehend identisch mit dem Ländertext zu Estland, da die Geschichte der Deutschen in dieser Region einheitlich verlaufen ist.

Ordensritter und Kaufleute – Altlivland

In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entwickelten sich bereits Handelskontakte zwischen der deutschen Hanse und den Gebieten der heutigen Staaten Estland und Lettland. Neben deutschen Kaufleuten kamen Missionare und Kreuzritter ins Land, um die heidnische Bevölkerung zum christlichen Glauben zu bekehren. Um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert eroberte der Kreuzfahrerorden der Schwertbrüder das Territorium des heutigen Lettlands und den Süden Estlands. Nach der schweren Niederlage gegen die Litauer 1236 unterstellten sich die Schwertbrüder dem Deutschen Orden. In der Folge bildete sich das Herrschaftsgebiet Altlivland heraus. 1346 verkaufte der dänische König Waldemar IV. Estland, beziehungweise die nördlichen Gebiete des heutigen Staates Estland und die Insel Ösel an den Orden. Deutsche Kaufleute gründeten Siedlungen, Landadelige, vor allem aus Norddeutschland und Westfalen, traten in den Dienst des Orders und erhielten Landbesitz.

Neben dem Orden bildeten die größeren Städte, vor allem Riga und Reval, estnisch Tallinn, unabhängige Einheiten mit besonderen Privilegien. Die Oberschicht war deutschsprachig und wuchs durch Zuwanderer aus dem nord- und mitteldeutschen Raum. Die einheimische Bevölkerung der Esten, Lieven und Letten geriet seit dem 14. Jahrhundert immer mehr in die Abhängigkeit des deutschen, gutsbesitzenden Adels. In den vom deutschen Bürgertum geprägten Städten sank sie zur Unterschicht herab.

Unter polnisch-litauischer, schwedischer und russischer Herrschaft

Innere Auseinandersetzungen, die Einführung der Reformation 1524 bis 1525 und schließlich der Einfall der russischen Truppen unter Iwan IV., führten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zum Zerfall Altlivlands. Dessen einzelne Regionen unterstellten sich Dänemark, Schweden und Polen-Litauen oder wurden von diesen erobert. Im Laufe des 17. Jahrhundert gelangte Livland mit Ausnahme des Herzogtums Kurland, das bei Polen-Litauen verblieb, an Schweden.

Russische Ostseeprovinzen

Nach dem Großen Nordischen Krieg 1700 bis 1721 wurden die von Schweden besetzten Gebiete im Frieden von Nystadt Russland zuerkannt. 1793 und 1795 fielen auch die zu Polen-Litauen gehörenden Regionen Altlivlands an das Zarenreich. Als russische Ostseeprovinzen Estland, Livland und Kurland verblieben die Gebiete bis 1917/18 im Russischen Reich. Die deutschbaltischen Stände, bestehend aus Ritterschaft, Grundbesitzern und Bürgergemeinden, behielten ihre Rechte und Privilegien: eine deutsche ständische Selbstverwaltung, ein deutsches Gerichtswesen und der Erhalt der evangelischen-lutherischen Landeskirche. Dagegen nahm die Unfreiheit der estnisch- und lettischsprachigen Unterschicht zu.

Die Baltische Nationalbewegung und die Gründung des unabhängige Staates Lettland

Im 19. Jahrhundert sahen sich die Deutschbalten einerseits mit starken Assimilationsversuchen der russischen Regierung und andererseits mit dem Entstehen der estnischen und lettischen Nationalbewegung konfrontiert. Dessen ungeachtet bildeten sie bis zum Ende des Ersten Weltkriegs die Oberschicht. Deutschbaltische Adelige spielten im zaristischen Russland – am Petersburger Hof, in Militär und Verwaltung – eine wichtige Rolle. Riga, Hauptstadt des Ostseegouvernements Livland, entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur führenden Industrie- und Handelsstadt im Baltikum, ihr Hafen war einer der wichtigsten Russlands.

Nach dem Zusammenbruch des Russischen Reiches entstand Ende des Ersten Weltkriegs die Republik Lettland, in der die Deutschbalten nun eine Minderheit mit weitgehenden Autonomierechten waren. Die Agrarreform beschnitt den Landbesitz der deutschbaltischen Großgrundbesitzer drastisch. Im Laufe der 1930er Jahre verschlechterte sich aufgrund des wachsenden Nationalismus’ im Land und der Politik des Dritten Reichs das Verhältnis zwischen den Deutschbalten und den Letten.

Umsiedelung der Deutschbalten 1939 bis 1940

In den geheimen Zusatzprotokollen zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt von 1939, die Ostmitteleuropa in Interessenssphären zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufteilten, wurden die baltischen Staaten der Sowjetunion zuerkannt. Bereits zwischen Oktober 1939 und Januar 1940 erfolgte die Umsiedlung der Mehrheit der in Estland und Lettland lebenden rund 80.000 Deutschbalten in die Region um Posen, den so genannten »Warthegau«, und nach Westpreußen. Von dort flüchteten sie bei Kriegsende nach Westen oder wurde vertrieben. Die in einer Nachzugsaktion 1941 Umgesiedelten kamen ins »Altreich«.

Kultureller Einfluss der Einwanderer

Die deutschbaltische Ritterschaft und die deutschbaltische Oberschicht in den Städten prägten die Kultur in dem Gebiet des heutigen Lettlands über Jahrhunderte entscheidend mit. Die Herrenhäuser des deutschbaltischen Adels sind charakteristisch für weite Teile des ländlichen Raums.

Heute ist die Anzahl der Deutschen so gering, dass von einer deutschen Kultur im Land nicht gesprochen werden kann. Nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Lettlands entstanden, angeregt vor allem durch Deutschbalten, verschiedene Initiativen, um die historischen Verbindungen zwischen Deutschland und den baltischen Staaten wiederzubeleben und das gemeinsame kulturelle Erbe zu erhalten, unter anderem das auf lettische Initiative hin von Deutschbalten und Letten in Riga gegründet Deutschbaltisch-Lettische Zentrum Domus Rigensis.

Deutsche Bevölkerung

Seit der Umsiedlung der Deutschbalten 1939/40 liegt der Anteil der Deutschen an der Gesamtbevölkerung der Staaten Estland und Lettland bei rund 0,1 Prozent. Es waren überwiegend Russlanddeutsche, die mit dem Zerfall der Sowjetunion in die baltischen Staaten zogen.

Unser Tipp

Riga ist 2014 Kulturhauptstadt Europas. Sehenswert sind die Jugendstilhäuser in der Audēju iela 7/9 von Alfred Aschenkampff, Michael Eisenstein, Alberta iela, Valdemāra iela und Brīvības iela.

Schloss Ruhenthal (heute Rundāle), die Sommerresidenz der Herzöge von Kurland

Herrenhäuser, u. a. Ungurmuiža/Orellen, Mežotne/Mesothen

Ruine der Ordensburg Wenden (heute Cēsis).

Literatur

Vegesack, Siegfried von: Baltische Tragödie, 3 Bände 1933 – 35, V. F. Sammler Verlag, Graz 2004.

Pistohlkors, Gert von (Herausgeber): Baltische Staaten, in: Deutsche Geschichte im Osten Europas, Siedler Verlag, 1994.

Außerdem sind zahlreiche Erzählungen von Werner Bergengruen im Baltikum angesiedelt, z. B: Bergengruen, Werner: Tod in Reval. Erzählungen, 1935.

Janovskis, Gunar: Auf Nimmerwiedersehen!, Hirschheydt, 1999.